Rechtfertigende Notsituation bei einem Geschwindigkeitsverstoß wenn Beifahrer sich übergibt?

Auch in Bußgeldsachen gilt, dass die Tat gerechtfertigt sein kann, wenn eine Notsituation oder ein Notstand vorliegt. Dies ist ausdrücklich in §§ 15, 16 OWiG geregelt. Wenn beispielsweise ein Arzt anlässlich eines Noteinsatzes zu schnell fährt, kann dies den Verstoß rechtfertigen.

Ein Taxifahrer wird wegen zu hoher Geschwindigkeit angehalten – Zählt hier die Notsituation

Das OLG Bamberg hatte in seinem Beschluss vom 4. September 2013 (A.Z.: 3 Ss Owi 1130/13) darüber zu entscheiden, ob ein Taxifahrer, der zu schnell unterwegs ist, gerechtfertigt handelt, wenn ein betrunkener Fahrgast sich übergibt und der Fahrer nun befürchtet, dass der Wagen Innenraums seines Taxis beschmutzt wird.

Dies ist im Ergebnis verneint worden

Zwar wurde durch das Gericht anerkannt, dass grundsätzlich eine Maßnahme zur Gefahrenabwehr auch einen Geschwindigkeitsverstoß rechtfertigen kann. Im vorliegenden Falle vermochte jedoch eine zur schnelleren Erreichung der nächst gelegenen Tankstelle schon mangels Geeignetheit des zur Gefahrenabwehr eingesetzten Mittels nicht nach § 16 OWiG zu rechtfertigen. Der Betroffene Taxifahrer wurde durch einen Bußgeldbescheid wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften unter anderem zu einem Fahrverbot von zwei Monaten verurteilt. Das Amtsgericht hat den Betroffenen auf seinen Antrag hin freigesprochen. Es hat dabei dessen Einlassung zugrundegelegt, wonach er als Taxifahrer zwei betrunkene Fahrgäste befördert und deswegen auf der Autobahn die Geschwindigkeit überschritten, um die nächste Ausfahrt zu erreichen.

Er habe damit verhindern wollen, dass einer der Fahrgäste sich im Fahrzeug übergeben muss sein Fahrzeug mit erbrochenem verschmutze. Die gegen den Freispruch gerichtete Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft führte allerdings zu Urteilsaufhebung und Zurückverweisung an das Amtsgericht. Die Voraussetzungen eines rechtfertigenden Notstand es seien rechtsfehlerhaft bejaht worden. In dem Urteil fehle es bereits an einer nachvollziehbaren Darlegung, dass die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit überhaupt geeignet war, dass von dem Betroffenen verfolgte Ziel, nämlich die Verhinderung der Verschmutzung seines Fahrzeuges, zu erreichen. Nur ausgewählte Abwehrmittel, die geeignet sind, die Gefahr zu beseitigen, können einen rechtfertigenden Notstand begründen. Insbesondere dann, wenn durch die Geschwindigkeitsüberschreitung kein wesentlicher Zeitgewinn zu erwarten war, kann der Rechtfertigungsgrund nicht eingreifen. Dies gelte umso mehr, als es sich bei dem Übergeben/Brechen um einen nicht kontrollierbaren Vorgang handele. Da deshalb eine Verzögerung des übergeben nicht möglich ist, ist die Überschreitung der Geschwindigkeit nicht geeignet gewesen, den Parkplatz noch rechtzeitig zu erreichen.

Das Amtsgericht und Rechtsfehler

Ungeachtet dieser Erwägungen seien die Urteilsgründe auch lückenhaft. Es lässt sich ihnen nicht entnehmen, inwiefern andere Mittel zur Verfügung gestanden hätten, um die Gefahr der Verunreinigung des Taxis abzuwehren. So könne der Taxifahrer doch auch so genannte brech Tüten, wie diese Funktion üblich ist, mitführen. Die Interessenabwägung des Amtsgerichts weise daher grundlegende Rechtsfehler auf. Soweit das Amtsgericht meint, der Lärmschutz habe hinter die Sicherheit der Fahrgäste zurückzutreten, so sei diese Abwägung grundsätzlich zu beanstanden. Auch die „Sicherheit der Fahrgäste“ könne nicht in die Waagschale geworfen werden. Denn deren Sicherheit war durch das mögliche Erbrechen im Fahrzeuginneren überhaupt nicht berührt. So sieht es zumindest das OLG Bamberg. Es handele sich hierbei um ein Eigeninteresse des betroffenen Taxifahrers daran, dass das von ihm gesteuerte Fahrzeug nicht verunreinigt wird. Dies überwiegt schon von vornherein nicht nach dem eindeutigen Wortlaut des § 16 OWiG wesentlich die Interessen der Anwohner an der Einhaltung des Lärmschutzes. Letzteres war nämlich die Begründung für die Anordnung der Geschwindigkeitsbegrenzung.

Ungeachtet dessen sei nach dem OLG Bamberg diesem Zusammenhang zusätzlich zu berücksichtigen, dass der Betroffene es war, der die erkennbar Betrunkenen in seinem Taxi überhaupt erst Aufnahme gewährte.

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