Die freie Anwaltswahl wird nach Auffassung des Bundesgerichtshofes (BGH) nicht dadurch verletzt, dass ein Rechtsschutzversicherer seinen Versicherungsnehmern einen finanziellen Anreiz schafft, einen sogenannten Vertragsanwalt zu beauftragen. Dies hat der BGH mit Urteil vom 04.12.2013 entschieden (Az.: IV ZR 215/12). Folgender Sachverhalt. Eine Rechtsschutzversicherung hatte Vertragsbedingungen verwendet, die ein Schadenfreiheitssystem mit variabler Selbstbeteiligung im Zusammenhang mit einer Anwaltsempfehlung beinhalten. Die Bedingungen sehen eine Rückstufung von maximal € 150,- pro Schadenfall vor. Und nun kommt der sensible Teil: Im Schadenfall unterbleibt die Rückstufung und damit in der Regel eine höhere Selbstbeteiligung beim nächsten Versicherungsfall, wenn der Versicherungsnehmer einen Anwalt beauftragt, der von der Versicherung empfohlen worden war. Hierbei ist allgemein bekannt, dass diese „Vertragsanwälte“ der Rechtsschutzversicherungen für eine geringere Gebühr arbeiten, als das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) vorsieht. Demzufolge liegt auch auf der Hand, dass diese Anwälte nicht denselben Zeitaufwand pro Akte für ihre Mandanten betreiben können, wie ein ungebundener Rechtsanwalt. Das Oberlandesgericht hatte den beklagten Versicherer denn auch dazu verurteilt, die Verwendung der streitgegenständlichen Bestimmungen zu unterlassen. Dies sah der BGH anders. Die freie Anwaltswahl sei erst bei unzulässigem psychischem Druck zur Mandatierung verletzt. Es schließe die Freiheit der Anwaltswahl nicht jegliche Anreize des Versicherers in Bezug auf die vom Versicherungsnehmer zu treffende Entscheidung über die Person des beauftragten Anwaltes aus. Die Grenze zur Verletzung des Rechts auf freie Anwaltswahl werde erst überschritten, wenn die Vertragsgestaltung einenunzulässigen psychischen Druck zur Mandatierung des vom Versicherer vorgeschlagenen Anwalts ausübt. Stellungnahme: Die Entscheidung des BGH ist inhaltlich und wertungsmäßig abzulehnen. Denn man fragt sich hier doch zum einen, wann die Grenze zu einer solchen Ausübung von Druck nach Auffassung des Gerichtes denn überschritten ist. Ist es nicht schon ausreichend „psychischer Druck“, wenn ich bei dem Wählen meines Vertrauensanwaltes (und eben nicht des Versicherungsanwaltes) zur Kasse gebeten werde? Ab welchem Geldbetrag ist der Druck denn „unzulässig“? Insgesamt ist das Treiben der Versicherungsnehmer in die Arme der Vertragsanwälte auch unredlich. Denn dass diese „Discount-Anwälte“ – mangels gesetzlicher Bezahlung – nicht denselben Zeitaufwand für jeden zu bearbeitenden Fall für ihre Mandanten betreiben können, wie ein ungebundener Rechtsanwalt, ist selbstverständlich. Warum sie dennoch zu diesen Bedingungen tätig werden dürfen, ist unverständlich und steht im Widerspruch zu klaren gesetzlichen Wertungen. Denn es soll schließlich eine gewisse Leistungsgarantie bei der anwaltlichen Dienstleistung (ähnlich wie bei der des Arztes) gewährleistet werden. Dies hat der Gesetzgeber an mehr als einer Stelle sehr deutlich gemacht. Wenn durch dieses Einfallstor der Gebührenanreize den Rechtsschutzversicherungen nun ein Umgehen der gesetzlichen Gebührensätze ermöglicht wird, kann dieses Leistungsversprechen zwangsläufig nicht mehr eingehalten werden. Es bleibt daher zu hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung korrigiert. Ansonsten droht als nächstes die Zuweisung eines bestimmten Arztes durch die Krankenversicherungen – wollen Sie das?
Autor: Rechtsanwalt Dr. Henning Karl Hartmann, Fachanwalt für Verkehrsrecht in Oranienburg bei Berlin Die freie Anwaltswahl wird nach Auffassung des Bundesgerichtshofes (BGH) nicht dadurch verletzt, dass ein Rechtsschutzversicherer seinen Versicherungsnehmern einen finanziellen Anreiz schafft, einen sogenannten Vertragsanwalt zu beauftragen. Dies hat der BGH mit Urteil vom 04.12.2013 entschieden (Az.: IV ZR 215/12). Folgender Sachverhalt. Eine Rechtsschutzversicherung hatte Vertragsbedingungen verwendet, die ein Schadenfreiheitssystem mit variabler Selbstbeteiligung im Zusammenhang mit einer Anwaltsempfehlung beinhalten. Die Bedingungen sehen eine Rückstufung von maximal € 150,- pro Schadenfall vor. Und nun kommt der sensible Teil: Im Schadenfall unterbleibt die Rückstufung und damit in der Regel eine höhere Selbstbeteiligung beim nächsten Versicherungsfall, wenn der Versicherungsnehmer einen Anwalt beauftragt, der von der Versicherung empfohlen worden war. Hierbei ist allgemein bekannt, dass diese „Vertragsanwälte“ der Rechtsschutzversicherungen für eine geringere Gebühr arbeiten, als das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) vorsieht. Demzufolge liegt auch auf der Hand, dass diese Anwälte nicht denselben Zeitaufwand pro Akte für ihre Mandanten betreiben können, wie ein ungebundener Rechtsanwalt. Das Oberlandesgericht hatte den beklagten Versicherer denn auch dazu verurteilt, die Verwendung der streitgegenständlichen Bestimmungen zu unterlassen. Dies sah der BGH anders. Die freie Anwaltswahl sei erst bei unzulässigem psychischem Druck zur Mandatierung verletzt. Es schließe die Freiheit der Anwaltswahl nicht jegliche Anreize des Versicherers in Bezug auf die vom Versicherungsnehmer zu treffende Entscheidung über die Person des beauftragten Anwaltes aus. Die Grenze zur Verletzung des Rechts auf freie Anwaltswahl werde erst überschritten, wenn die Vertragsgestaltung einenunzulässigen psychischen Druck zur Mandatierung des vom Versicherer vorgeschlagenen Anwalts ausübt. Stellungnahme: Die Entscheidung des BGH ist inhaltlich und wertungsmäßig abzulehnen. Denn man fragt sich hier doch zum einen, wann die Grenze zu einer solchen Ausübung von Druck nach Auffassung des Gerichtes denn überschritten ist. Ist es nicht schon ausreichend „psychischer Druck“, wenn ich bei dem Wählen meines Vertrauensanwaltes (und eben nicht des Versicherungsanwaltes) zur Kasse gebeten werde? Ab welchem Geldbetrag ist der Druck denn „unzulässig“? Insgesamt ist das Treiben der Versicherungsnehmer in die Arme der Vertragsanwälte auch unredlich. Denn dass diese „Discount-Anwälte“ – mangels gesetzlicher Bezahlung – nicht denselben Zeitaufwand für jeden zu bearbeitenden Fall für ihre Mandanten betreiben können, wie ein ungebundener Rechtsanwalt, ist selbstverständlich. Warum sie dennoch zu diesen Bedingungen tätig werden dürfen, ist unverständlich und steht im Widerspruch zu klaren gesetzlichen Wertungen. Denn es soll schließlich eine gewisse Leistungsgarantie bei der anwaltlichen Dienstleistung (ähnlich wie bei der des Arztes) gewährleistet werden. Dies hat der Gesetzgeber an mehr als einer Stelle sehr deutlich gemacht. Wenn durch dieses Einfallstor der Gebührenanreize den Rechtsschutzversicherungen nun ein Umgehen der gesetzlichen Gebührensätze ermöglicht wird, kann dieses Leistungsversprechen zwangsläufig nicht mehr eingehalten werden. Es bleibt daher zu hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung korrigiert. Ansonsten droht als nächstes die Zuweisung eines bestimmten Arztes durch die Krankenversicherungen – wollen Sie das?
Autor: Rechtsanwalt Dr. Henning Karl Hartmann, Fachanwalt für Verkehrsrecht in Oranienburg bei Berlin